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Der folgende Artikel ist ein Teil der Abschlussarbeit von Mareike Jung, die ihre Ausbildung unter anderem and der Pantomime Schule Etage in Berlin abgeschlossen hat. Sie hat sich mit der Pantomime der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft beschäftigt. Außerdem hat sie den Zusammenhang zwischen Tanz und Pantomime herausgearbeitet. Viel Spaß beim Lesen.

Der erste Teil beschäftigt sich mit „Pantomime der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft“.

Im zweiten Teil spricht Mareike über die Verknüpfung von Pantomime / Mime mit dem Tanz

Besucht die Website von Mareike Jung.

Verknüpfung Tanz/ Pantomime/ Mime

Um eine Idee davon zu bekommen, wie der Tanz und die Pantomime/ Mime im historischen Sinne miteinander verknüpft sind, habe ich folgend eine Übersicht zusammengestellt.

  • Griechische Antike: Virtuose Solotänze zwischen den Akten von Komödien/ Tragödien
  • Commedia dell‘arte: Ein grotesker Tanz
  • Ballettpantomime und Handlungsballett aus dem 19 Jahrhundert
    • –> Viel Pantomime inbegriffen in Form einer Rezitative
    • –> Geschichte wird pantomimisch erzählt, tritt oft in den Vordergrund
    • –> Sehr standardisierte Gesten mit den Händen
  • Mary Wigman, Begründerin des Ausdrucktanzes, über die Pantomime:
    • –>„PANTOMIME: Ein Schritt nur zum Schauspiel, ein Schritt zum Tanz. In beide Gebiete gleicherweise eingreifend, sie befruchtend und von ihnen empfangend, und doch eine in sich selbstständige künstlerische Sprache.“
    • – ->An der von ihr gegründeten Schule gehört die Pantomime zu einem wichtigen Unterrichtsfach
    • –> Viele ihrer Schüler/Innen verleihen ihrem Tanz durch pantomimische Elemente  Ausdruck
  • Veranstaltungsreihe ab 1970,  „Akademie der Künste – Pantomime – Musik – Tanz -Theater“  in West-Berlin
  • Kurt Jooss, Mitbegründer der Folkwangschule, ist Choreograph von dem Tanzdrama  „Grüner Tisch“, hier verknüpft er stark das Spiel mit Masken, Körpertheater und Tanz
  • Von Etienne Decroux wird berichtet, er hätte folgende Aussage getroffen:
    • “Tanz und Pantomime sind verfeindete Schwestern.“
    • Diese Aussage kann auf unterschiedlicher Weise interpretiert werden.
    • Leider war es im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich einen präzisen Beleg für dieses Zitat zu finden.
  • Tomaszewski, Fialka, Molcho kommen alle aus dem Tanz
    • –> Verknüpfung Tanz mit der Pantomime/ Mime wird in deren Werken deutlich sichtbar
  • Tanztheater mit Pina Bausch. Zitat Oliver Pollak über Pina:  „Pina Bausch war eine Mimin, auch wenn sie es vielleicht nicht wusste.“
  • DV8, Physical Theatre, gegründet 1986, ist eine britische Compagnie, die zum einen den Begriff Physical Theater ins Leben gerufen hat und zum anderen sowohl mit mimischen, als auch mit tänzerischen Mitteln arbeitet
    • –> An dieser Stelle könnten im Prinzip alle Physical Theater Gruppen aufgeführt werden

Die Akademie der Künste und wie die Mime die Pantomime ablöst

Ab 1970 gibt es in West-Berlin eine Veranstaltungsreihe, die sich „Akademie der Künste – Pantomime – Musik – Tanz – Theater“ nennt.

Wigman ruft diese Idee einer internationalen Akademie der Künste ins Leben. Zitat: „… in anregenden Gesprächen, insbesondere mit Marcel Marceau, (entstand) der Wunsch, die verschiedensten Vertreter der pantomimischen Kunst einmal nach Berlin zu holen, sie gewissermaßen unter einem Dach zu versammeln, sie in Aufführungen und Demonstrationen an der Arbeit zu sehen und in lebendigen Gedankenaustausch zu treten….“

In der Umsetzung an der Akademie der Künste waren alle großen Vertreter der damaligen Zeit vertreten: Marcel Marceau, Jacques Lecoq, Peter Brook, natürlich auch Mary Wigman.

Fragen wir uns mal aus heutiger Sicht: In welchen Verknüpfungen sind da die Leute zusammengekommen? Damals hatte die Pantomime noch einen starken Schwerpunkt, wie es sich aus dem Titel ablesen lässt. Die Pantomime steht als erstes Wort der Aufzählung, erst dann kommen die Musik, der Tanz, das Theater. Die Reihenfolge ist nicht Alphabetisch geordnet, die Pantomime steht ganz vorne an.

Wo finden wir heute noch vergleichbare Treffen, an denen die Pantomime gleichberechtigt, oder mit der gleichen Erwartungshaltung in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird? War das in den 70gern/80gern das letzte Mal?

1988 teilt sich das Ganze, als das Festival „Tanz im August“ in Berlin gegründet wird.

Mit dem neuen Festival verliert die Pantomime an öffentlichem Interesse, während die Mime im Sinne des Physcal Theatre an Popularität in Holland, England, Deutschland und Frankreich gewinnt und sich zu einer zeitgenössischen Mime entwickelt.

Das Bewegungstheater erfährt ihre Hochkonjunktur in den 90gern, hier gründen sich die meisten Gruppen in Europa. In Frankreich verbindet sich die Mime, das Phsyical Theatre mit dem Cirque Nouveau und stellt eine Erneuerung der Zirkuswelt dar. Die Prämisse lautet: Weg vom klassischen Programm mit Tieren und hin zu einem auf dem Bewegungstheater fundierenden Zirkus. Pantomime finden wir im Cirque Nouveau nicht mehr in Form eines Weißclowns, anstelle dessen tritt die Mime in den Vordergrund als narrative Struktur mit einer Fusion aus Musik, Tanz, Schauspiel, Artistik und Zirkuselementen. Der Cirque Nouveau lebt ganz stark von den Impulsen, die aus der Mime, aus dem erneuerten Bewegungstheater kommen. Es wird sich mit der Philosophie, mit der Idee eines gestischen Theaters angefreundet und sich verabschiedet von dem klassischen französischen Nummernzirkus.

Verknüpfungen Pantomime/ Mime mit dem Tanz in der Gegenwart

Während die Pantomime heute in kommerziellen Produktionen oft nur noch als Parodie auftaucht, wird die Mime im Gegensatz dazu im Bereich des Theaters vitalisiert durch Bewegung.

Das Fach Bewegung wird gerade an den staatlichen Theaterschulen von einem beiläufigen fakultativen Fach zu einer Professur der Bewegung. In diesem Sinne hat sich die Mime ausgebreitet und ist viel wirksamer geworden, hat sich aber verbunden mit den anderen Formen der darstellenden Kunst.

Es kann sich heute niemand mehr erlauben eine Produktion auf die Bühne zu stellen ohne bewegte, tänzerische Momente auf hohem Niveau. Ein Schauspieler ohne eine Grundlage körperlicher Präsenz hat heutzutage keine Chance auf dem Markt.

Ein Beispiel für die Verknüpfung Mime mit Tanz, hierbei ist es nicht vom Schauspiel zu trennen, ist der Regisseur Herbert Fritsch (*1951). Der Regisseur inszenierte unter anderem das ein Wort-Drama „Murmelmurmel“. In einem Interview sagt er: „Schon das Wort Sprechtheater verursacht mir Probleme. Das ist so eine Reduzierung (…) es wird unterschätzt, was der Körper so mitteilt.“

Meine Beobachtung ist, dass viele Freestyle-Tänzer in exemplarischer Weise die Technik der Pantomime aufgreifen und sich zu eigen machen.

Zitat von Oliver Pollak: „Tanz ist Tanz. Mime ist Schauspielern.“ Er sagt zu seinen Schülern: „Macht keine Bewegung. Macht eine Aktion.“

Zitat von Radim Vizvary: „Versuche deine Geschichte zu tanzen.“

Wünsche an die Pantomime/ Mime -Ein Collage-

Oliver Pollak, Mime Corporel Künstler: Wunsch an die Pantomime: „Ich wünsche der Pantomime, dass sie ein paar Klischees über Bord wirft und dass sie ernster genommen wird als die Pantomime in der Fußgängerzone.“

Daniella Kuhr, Absolventin der Etage Berlin: „Ich wünsche mir, Kunst zu machen um der Kunst Willen. Raum dafür zu haben, um eine Tiefe zu gewinnen, ohne Druck. Wie mit einem Kind. Ich kann einfach so mit meinem Kind leben oder eine richtig tiefe Beziehung schaffen. Heutzutage lautet die Prämisse: Kein Geld. Keine Zeit. Das heißt schnell produzieren. Aber das verliert an Tiefe. Ich kann ja auch nicht in drei statt in neun Monaten ein Kind gebären.“

Jozef Markocki, Gründer und Darsteller der Compagnie Teatr Formy: „Mein Wunsch ist es, den Körper und seine Bewegungen zu transformieren, mit dem Fokus auf den Prozess und nicht das Ergebnis. Durch eine tiefe Suche und offenen Austausch von Erfahrungen, um gemeinsam diese magische Reise fortzusetzen.“

Wolfgang Dold, Absolvent der Scuola Dimitri: Wunsch an die Pantomime: „Dass sie von den Pantomimen geliebt wird und diese an ihre kommerziellen Möglichkeiten glauben.“Wunsch an die Mime: „Gute Besserung!“

Nils-Zdenek, Gründer und Leiter der Etage Berlin, Schule für darstellende Künste:

Wunsch an die Pantomime: „Ich wünsche mir für die Pantomime der Zukunft zuerst, dass sie sich treu bleibt und nicht zu einer vergänglichen Modesache verkommt. Sie ist die Urkunst des Theaters; sie ist die magische Kunst der Illusion; sie macht Unsichtbares sichtbar und Sichtbares unsichtbar. Sie ist ein lebendiges Gemälde, lebende Plastik, Prosa, lyrisches Rezitativ, visuelle Musik, sie ist dramatisch. Die Pantomime ist ein weites Feld.“

Wunsch an die Mime: „ Die Mime und ihre Nähe zum Tanz, zum Schauspiel und auch zur Artistik muss ebenfalls stets eigenständig und zeitgenössisch agieren, in einem interdisziplinären Kontext. Ich wünsche mir mehr Unterstützung, um fundierte Ausbildungsgänge und Spielplattformen zu schaffen.“

Paulina Szczesna, Mitglied der Compagnie des Pantomimenzentrum im Theater NaWoli in Warschau:

Wunsch an die Pantomime: „ I wish that the art of pantomime will start to touch more actual social subjects. So, silent art will be as well some voice about nowaday’s shape of the world, and that the beauty of this art will be not only about aesthetics, illusion, fairy tales and so on, but sometime hard subjects, cruelty of body. Also, I dream that pantomime will go to the moment of a more experimental version, connected with other medias or theatre languages“.

Wunsch an die Mime: „I wish mime will be less ‚closed‘. What I mean is that this art could go out from its old rules and shapes and instead start to be more experimental, more about human subjects. I wish that instead of only body and abstraction I start to see in mime also something more real and human. Amen.“


Autor: Mareike Jung

Mime, Tänzerin und Illusionskünstler Mareike Jung

Mime, Tänzerin und Illusionskünstler Mareike Jung

 

Das war der erste Teil von Mareike Jungs Arbeit Pantomime und Mime der Gegenwart und Zukunft Teil

Lest hier den zweiten Teil bei dem es darum geht, wie die Pantomime / Mime miteinander verknüpft sind.

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